Verführung ins Mordloch

Das Wasser aus dem Mordloch ist nach wie vor wichtig für die Obere Roggenmühle. Die Gründe dafür erfuhren die Besucher beim Sommer der Verführungen.

Nach 40 Metern im Mordloch ist Schluss. Das Wasser steht knöcheltief, ein weiteres Durchkommen ist mit normaler Straßenkleidung nicht möglich. Umdrehen ist angesagt. Und alle 28 Teilnehmer, die im Rahmen der Veranstaltungsreihe  Sommer der Verführungen „Das Mordlochwasser und die Obere Roggenmühle“ gebucht hatten, traten auch bereitwillig den Rückzug an. Nicht nur, weil es im Innern der Höhle das ganze Jahr über gerade mal acht Grad Celsius hat, dem einen oder anderen war es in dem gespenstisch dunklen, nur mit Taschenlampen beleuchteten Loch am Albtrauf bei Eybach auch nicht ganz wohl. Der helle Ausgang naht, davor warten die beiden schwergewichtigen Stuten Edana und Kasia mitsamt Planwagen und dem erfahrenen Kutscher Karl-Heinz Wendlik aus Böhmenkirch.

Wendlik chauffierte die Gäste von der 800 Meter entfernten Roggenmühle hinauf zum Mordloch. Jetzt geht es wieder dorthin zurück, wo der Nachmittagsausflug mit Informationen zur Geschichte der alten Mühle und zur Fischzucht begonnen hatte. Davon wusste Martin Seitz eine Menge zu erzählen, der neben seinen beiden Schwestern Mitinhaber der Roggenmühle und Chef des Gastro-Betriebs ist.

„1371 wurde die Mühle erstmals urkundlich erwähnt“, sagt Seitz. Doch der Ursprung läge 100 Jahre früher, etwa zeitgleich mit der Gründung von Steinenkirch. Das Fachwerk bestehe aus Fichtenholz und sei Flößerholz, das über Bäche und Flüsse aus dem bayrischen Wald und dem Schwarzwald hierher transportiert wurde. Denn seinerzeit hätte es auf der Alb noch keine Fichten gegeben.

Schönste Fassade im Landkreis Göppingen

Gut 600 Jahre wurde Getreide gemahlen, bis der letzte Müller Georg Köpf im Jahr 1917 den Betrieb einstellte und sich mehr und mehr der Jagd widmete. Er starb 1949 und vermachte die Roggenmühle seiner langjährigen Haushälterin, die das Anwesen sogleich an Hubertus Seitz, den Großvater von Martin Seitz, verkaufte. „Das Gebäude war in einem katastrophalen Zustand“, betont Seitz. Nach und nach wurde es hergerichtet und bekam nach einer grundlegenden Sanierung im Jahr 2003 im Rahmen eines Wettbewerbs den ersten Platz als schönste Fassade im Landkreis Göppingen.

Das alte Wasserrad mit seinem Durchmesser von sechs Metern wurde bis 1962 mit Wasser aus dem Höhlensystem des Mordlochs betrieben, das aus einer Quelle nahe der Roggenmühle entspringt. Ein angekoppelter Generator mit einer Leistung von 2,5 Kilowatt erzeugte jahrelang Strom, der gerade mal für ein paar Glühbirnen, einen Fernseher und einen Kühlschrank gereicht hätte.

Seit dem Anschluss ans öffentliche Stromnetz spielt die eigene Stromerzeugung keine Rolle mehr. Doch nach wie ist das Wasser aus dem Mordloch lebensnotwendig. Es sichert die Existenz des gastronomischen Betriebs, der sich auf die Aufzucht und die Zubereitung von Forellen spezialisiert hat. „Ein Fisch schmeckt wie das Wasser, in dem er lebt“, weiß Seitz. Und das frische Quellwasser sei Garant für hervorragende Qualität. Der Umsatz und die Nachfrage nach seinen Regenbogenforellen geben ihm Recht. 2000 schlachtreife Forellen mit einem Gewicht von jeweils 300 bis 400 Gramm warten in einem der Teiche darauf, auf dem Teller zu landen. In einem anderen Teich schwimmen ältere, fünf Kilo schwere Fische, die aber eher von Kundschaft aus südeuropäischen Gefilden nachgefragt würden. In einem anderen Teich lebt die Brut. Die kleinen Fische werden eingekauft und zwei bis drei Jahre groß gezogen, bevor sie getötet werden und in die Räucherkammer kommen oder serviert werden.

Die Planwagenfahrt zum Mordloch, aus dem das Lebenselixier der Fische kommt, stand nun auf dem Programm. Dieter Domke vom Kahlensteiner Höhlenverein wartet bereits am 514 Meter hoch gelegenen Eingang der Karsthöhle. „Nur bei Hochwasser sprudelt es aus dem Mordloch“, sagt Domke. Ansonsten herrscht zumindest während der ersten 40 Meter Ebbe. Doch dann wird es in der mit 4320 Meter längsten aktiven Wasserhöhle der Schwäbischen Alb recht nass. 80 Meter hinter dem Eingang kommt ein Siphon, der nur mit Sauerstoffflaschen passierbar ist. Lediglich professionelle Höhlenforscher würde sich durch das Labyrinth von Gängen, Nischen und weiteren Siphonen  weiter wagen. Eine Expedition in die Tiefe des Mordlochs hat ein Höhlenforscher in einem 30-minütigen Film dokumentiert, der den Besuchern bei ihrer Rückkehr in die Roggenmühle gezeigt wurde

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