Mit großem technischem Geschick stellten die Nordmänner das zähflüssige Gemisch her - möglicherweise in deutlich größerem Maßstab, als bisher bekannt war.
Die Wikinger gelten als Meister des mittelalterlichen Schiffbaus: In ihrer Blütezeit zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert verfügten Stämme der Nordmänner über Flotten aus dutzenden Booten. Für den Bau verwendeten sie große Mengen Teer, vermuten Technikhistoriker: Ein einzelnes großes Langschiff soll bis zu 500 Liter der klebrigen Substanz verschlungen haben. Damit ließen sich einerseits die Planken des Rumpfs abdichten, daneben imprägnierten die Wikinger mit dem Teer vermutlich ihre oft aus Wolle gefertigten Segel.
Hennius zufolge passierte das gerade zu einer Zeit, als die Nordmänner ihre Expeditionen und Beutezüge per Schiff stark ausdehnten und so besonders großen Bedarf an der schwarzen Masse hatten. Dabei setzten sie im Grunde auf eine altbewährte Technik, nutzten diese aber in deutlich größerem Maßstab: Teer entsteht, wenn man Holz in eine trichterförmige Grube packt, anzündet und mit Torf oder Kohle bedeckt. Dadurch verschmort das Holz ohne große Sauerstoffzufuhr, und am unteren Ende des Erdtrichters setzt sich Teer ab.
In den vergangenen 15 Jahren sind Archäologen immer wieder auf entsprechende Teeröfen aus der Wikingerzeit gestoßen. Meist handelte es sich aber um kleine, primitive Anlagen in Dörfern, die allenfalls 15 Liter Teer pro Brennvorgang hinterließen. Hennius argumentiert nun, dass Ansammlungen Dutzender deutlich größerer Erdlöcher abseits von Wikingersiedlungen denselben Zweck erfüllten, etwa in einem Gebiet nördlich von Uppsala. Hier habe vom 8. Jahrhundert an eine groß angelegte Teerproduktion stattgefunden, mit 200 bis 300 Litern Teer pro Brennzyklus und Grube, schreibt der Forscher im Fachmagazin »Antiquity«.
Die verdächtigen Erdlöcher, auf denen Hennius seine Theorie aufbaut, sind schon länger bekannt. Bisher waren Archäologen davon ausgegangen, dass es sich um Tierfallen oder Kohleproduktionsstätten handelte. Vermutlich werden daher weitere Funde nötig sein, bei denen die einstige Funktion eindeutig ist, um die Theorie der Teerindustrie in der Fachwelt zu etablieren.