Lage
Das Kleinkastell Freimühle lag auf einem leicht vorspringenden Sporn des Rotenbachtales Osthanges in der Waldflur Vogelhau. Von dort aus konnte sowohl das Rotenbachtal als auch ein Abschnitt des Remstals eingesehen werden. Nur 750 Meter nördlich, für ein Kleinkastell jedoch bereits ungewöhnlich weit entfernt, lief die nach West-Ost ausgerichtete, offenbar im Jahre 164 n. Chr. erbaute Palisade des Obergermanischen Limes in das Rotenbachtal hinab. An diesem Hang, rund 90 Meter westlich über dem Rotenbach, begann an der Grenze der römischen Provinzen Germania superior (Obergermanien) und Raetia (Rätien) der steinerne Abschnitt des Limes, der sich bis zur Donau hinzog. Vom Kleinkastell Freimühle aus konnten sowohl das rund einen Kilometer nordwestlich am Westhang des Rotenbachtales gelegene Kleinkastell Kleindeinbach als auch der über dieser Befestigung stehende Wachturm eingesehen werden. Die dort stationierte Einheit konnte auch einen weiteren Abschnitt des Remstals im Auge behalten.
Forschungsgeschichte
Bis zur Entdeckung 1901 ließen weder volkstümliche Überlieferung noch Flurnamen auf ein Kastell im Vogelhau schließen. Erst ein damals über das Land fegender, orkanartiger Sturm, der mehrere Bäume entwurzelte, brachte Mauerreste zum Vorschein, die Forstbeamte beim Aufarbeiten des Windbruchs entdeckten. Der Schwäbisch Gmünder Oberbürgermeister Paul Möhler veranlasste Grabungen, die sehr bald Grundmauerreste eines römischen Gebäudes zutage brachten. Major Heinrich Steimle, Streckenkommissar der Reichs-Limeskommission (RLK), untersuchte 1902 anschließend Umwehrung und Innenbereich der Anlage und erkannte die Mauerreste als Kastell.
Mit der Erhebung des Limes zum Weltkulturerbe 2005 wurde der Kastellplatz geomagnetisch und geoelektrisch prospektiert, der Wald auf der Kastellfläche gerodet und die Umwallung deutlich sichtbar aufgeworfen. Ausgrabungen fanden nicht statt, jedoch wurde der Platz neu dokumentiert. 2006 weihte Dieter Planck, damals Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege Baden-Württemberg, diese Anlage ein. Unmittelbar unterhalb der antiken Befestigung wurde im Mai 2009 ein Informationspavillon eröffnet. Rund 800 Meter südlich des Limesverlaufes veranschaulicht ein Rekonstruktionsversuch das Zusammentreffen von obergermanischer Palisade mit Wallgraben und rätischer Limesmauer.
Baugeschichte
Die 53 × 55 Meter (= 0,29 Hektar) umfassende Anlage mit ihrer 1,2 Meter breiten Umfassungsmauer, der ein sechs Meter breiter Spitzgraben vorgelagert war, besaß höchstwahrscheinlich einen in Holzbauweise errichteten Innenausbau. Die Suche nach dieser Bebauung verlief für die RLK möglicherweise aufgrund der damals noch nicht so weit fortgeschrittenen Grabungstechniken jedoch ergebnislos. Es konnte jedoch festgestellt werden, daß sich hinter der steinernen Wehrmauer eine angeschüttete Erdrampe befand, auf der die Wachsoldaten patrouillieren.
Das Kastell ist in einer fast identischen Ausrichtung wie das Kohortenkastell Schirenhof auf der gegenüberliegenden Seite der Rems angelegt worden. Im Westen und Osten konnte 1902 je ein einspuriges Tor, flankiert von je zwei Türmen ausgemacht und ein trapezförmiger Eckturm freigelegt werden. Insgesamt hatte die Fortifikation vier Ecktürme.
Man nimmt an, dass das Kleinkastell Freimühle zum Typus von Kleinkastell Haselburg bei Walldürn gehört haben könnte. Aufgrund seiner Lage ist sich die Wissenschaft über die Bedeutung dieser Fortifikation, rund 100 Meter unterhalb des Limes und genau zwischen Schirenhof und Kleinkastell Kleindeinbach liegend, unklar. Dieter Planck äußerte die Meinung:
- „… daß dieses Kleinkastell zur Überwachung der hier vermuteten Grenzziehung erbaut worden ist. Vermutlich unterstand die hier stationierte Truppe dem Kastell Schirenhof, mit dem eine direkte Sichtverbindung bestand.——————„
Vielleicht hatte die in Freimühle lagernde Truppe auch nur sekundär mit der Limesverteidigung zu tun. Südwestlich des Kleinkastells konnten an der Talsohle beim Austritt des Rotenbachs aus dem Rotenbachtal bei Straßen- und Bahnbrückenbauarbeiten römische Siedlungsreste und Gräber aufgedeckt werden. Dies deutet vielleicht auf die eventuelle Selbständigkeit einer hier längerfristig lagernden Einheit hin. Es wurde daher vermutet, dass das Kleinkastell Freimühle vielleicht Stützpunkt der römischen Straßenpolizei gewesen ist, welche die Fernstraße im Remstal zu überwachen hatte, die nahe der Mündung des Rotenbachs in die Rems auch die Grenze zwischen den Provinzen Germania superior und Raetia überwand.
Das Grenzgebiet von Germania superior und Raetia ist im Limesbereich ungewöhnlich dicht mit römischen Militärstützpunkten belegt. Auch die Nähe der Kohortenkastelle Lorch am Rand der Provinz Germania superior und Schirenhof in Raetia scheinen diesen Eindruck zu bestätigen. Vielleicht wird hier ein gewisses eigenständiges Handeln der für die Provinzverwaltung Verantwortlichen sichtbar. Besonders der nur in Rätien durchgeführte Ausbau der Reichsgrenze in Stein könnte hierfür ein Beleg sein.
Blick über das Lagergelände
Die ursprünglich steinerne Umfassungsmauer wird als Erdwall angedeutet.
Modell des Kastells in der einstigen Lagermitte
Kastellbad
Rund 50 Meter südwestlich der kleinen Befestigung wurde ein kleines Kastellbad entdeckt, das sich heute als schwache Bodenunebenheit in der Landschaft abzeichnet. Der Nachweis einer solchen Therme zeigt, dass auch bei diesen kleinen Anlagen mit einer bemerkenswert ausgebauten Infrastruktur gerechnet werden kann.