Die Rheingrenze

58-50 v.Chr. :

Mit der Eroberung Galliens durch Julius Caesar wurde der Rhein zur Grenze des Römischen Reiches. Die Nordgrenze des Imperiums verlangte damit nach einer Regelung, vor allem auch angesichts der Tatsache, dass noch nicht einmal die Alpen im Norden Italiens der römischen Herrschaft unterworfen waren.

 

Die Gewinnung des Alpenvorraumes

15 v.Chr.

Kaiser Augustus (31 v. Chr. – 14 n. Chr.) plante in diesem Zusammenhang die Errichtung einer „Großgermanischen Provinz“ - Provincia Germaniamagna mit der Elbe als Nordostgrenze. Notwendig waren damit zunächst die Unterwerfung der Alpenvölker und die Sicherung der Alpenpässe als Voraussetzung des Zugriffs auf germanische Gebiete.

In Ausführung dieses Vorhabens unterwarfen die beiden Adoptivsöhne des Kaisers Augustus, Drusus und Tiberius, im Jahr 15 v. Chr. die Rätier und Vindeliker, Völker, die in den Alpen und im Alpenvorland (Oberschwaben, Bayern) ansässig waren. Das Siegesmonument von La Turbie (oberhalb Monacos), das Tropaeum Alpium, nennt die Namen von 49 unterworfenen Alpenstämmen. Gleichzeitig besetzte römisches Militär das mit Rom befreundete Königreich Noricum (Österreich). Strategisch wichtige Straßenverbindungen über mehrere Bergpässe legten die Grundlage für weitere Militäroperationen nördlich der Alpen. Zahlreiche Militärstationen im nördlichen Alpenvorland dienten der Sicherung des neu gewonnenen Gebiets.

Das reiche Fundmaterial von Augsburg-Oberhausen deutet auf ein Legionslager hin. Ein weiteres, 1967 am Hochrhein bei Dangstetten (Waldshut) entdecktes Legionslager wird als Ausgangspunkt für Militäroperationen in den germanischen Raum hinein betrachtet, die etwa über das Wutachtal nordwärts in das Tal des Neckars führten. Im Lager von Dangstetten war jene 19. Legion stationiert, die im Jahr 9 n. Chr. in der „Varusschlacht“ beim heutigen Kalkriese zugrunde ging.

Der 15 v. Chr. unterworfene Alpenraum unterstand der Militärverwaltung. Der Kommandeur der bei Augsburg-Oberhausen stationierten Legionen war zugleich Statthalter von Vindelikien (Oberschwaben, Bayern): legatusAugusti pro praetore in Vindolicis. Die weiter gehenden Pläne des Kaisers Augustus – die Eroberung Germanien bis zur Elbe – scheiterten. Ein Aufstand in Pannonien (Ungarn, Kroatien) nötigte Tiberius zum Abzug von Truppen aus Germanien auf den Balkan.

9 n. Chr.-16 n. Chr.

Die vernichtende Niederlage in der „Varusschlacht“ im Jahre 9 n. Chr. trug sieben Jahre später mit zum Verzicht des Kaisers Tiberius (14 – 51 n. Chr.) auf alle rechtsrheinischen Eroberungen bei; somit wurde der Rhein wieder zur Nordostgrenze des Römischen Reiches.

Ausbau der Rheingrenze

16 n. Chr. und 25 n. Chr.

Im Zuge des Ausbaus der Rheingrenze wurden die bestehenden kleineren Militärlager Vindonissa (Windisch, Kanton Aargau) und Argentorate (Straßburg) zu Legionslagern vergrößert. Der Schutz der Rheingrenze wurde dem „oberen Heer“ - exercitus superior - und dem „unteren Heer“ - exercitus inferior - übertragen. Die in Vindonissa stationierte Legion des oberen Heeres war für die Überwachung der aus Italien, Gallien und Rätien in der Nordschweiz zusammentreffenden Fernstraßen zuständig.

 

Errichtung der Provinz Rätien

41-54 n. Chr.

Im Zusammenhang mit der Errichtung der Provinz Rätien wurde in claudischer Zeit (Kaiser Claudius 41-54 n. Chr.) die Nordgrenze der Provinz am Südufer der Donau mit Kastellen befestigt, dazu gehören Unterkirchberg, Rißtissen, Emerkingen, Tuttlingen und Hüfingen. Von Hüfingen aus führte mit großer Wahrscheinlichkeit eine Straße über den Schwarzwald zum Kastell Riegel und von dort unterhalb des Kastells Sasbach über den Rhein; beim linksrheinischen Markolsheim mündete sie in die Rheintalstraße. Donaustraße und Rheintalstraße gewährleisteten die Verbindung von der Provinzhauptstadt Augsburg - Augusta Vindelicum - zur Kommandozentrale des oberen Heeres in Mainz – Mogontiacum..

Unter dem Schutz der Militärlager entstanden am Hochrhein bereits in der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Siedlungen und Landgüter – villae rusticae –, wie etwa das große Landgut von Laufenburg. Die Krise nach der Ermordung des Kaisers Nero 68 n. Chr., der Bataveraufstand 69/70 n. Chr. und die Belagerung des Legionslagers Mainz durch germanische Stämme zeigten die Notwendigkeit zur Herstellung einer kürzeren Straßenverbindung zur schnelleren Truppenverschiebung zwischen Donau und Rhein.
Kaiser Vespasian (69-79 n. Chr.) ließ zu diesem Zweck durch den Legaten des oberen Heeres Gnaeus Pinarius Cornelius Clemens eine Straße von Straßburg nach Rätien bauen.

 

Die neue Straße führte durch das Kinzigtal über den Schwarzwald an den oberen Neckar (Waldmössingen und Rottweil), von dort über die Schwäbische Alb an die Donau (Tuttlingen) und weiter nach Augsburg.

Zur Sicherung dieser Straßenverbindung wurde es notwendig, die bisherigen Donaukastelle nach Norden auf die Schwäbische Alb vorzuverlegen.

Zum Mittelpunkt der neu gewonnenen Gebiete und zum Verkehrsknotenpunkt wurde Rottweil - Arae Flaviae - im oberen Neckarland. Die neuen Kastelle von Sulz a. N. auf dem kleinen Heuberg, bei Ebingen-Lautlingen und Burladingen-Hausen dienten seit den Jahren nach 80 n. Chr. der militärischen Sicherung des Gebietes. Im gleichen Zusammenhang erfolgte der Ausbau der rechtsrheinischen Rheintalstraße; in Zunsweier bei Offenburg, in Heidelberg-Neuenheim und Ladenburg a. Neckar entstanden römische Lager.

Eine neue Lage entstand durch den Feldzug des Kaiser Domitian (81-96 n. Chr.) gegen die germanischen Chatten in der Wetterau im Jahre 83 n. Chr. Domitian ließ den erweiterten Mainzer Brückenkopf mit Kastellen im Taunus und in der Wetterau sichern. So entstand der Taunus-Wetterau-Limes.

Main- Odenwald- Neckarlimes

83 n. Chr.

Weitere Kastelle am Main, im Odenwald und am mittleren Neckar (Main-, Odenwald-, Neckarlimes) stellten die Verbindung zum Alblimes her. Infanterieeinheiten zu je 500 Mann und eine Reitereinheit wurden in Köngen, Stuttgart-Bad Canstatt, Benningen, Walheim, Heilbronn- Böckingen und Wimpfen im Tal stationiert. Eine Straße von Köngen über Rottenburg nach Rottweil verband die neue Grenze mit dem Hinterland.

Die Provinzen Ober- und Untergermanien

ca. 85 n. Chr.

Die Militärdistrikte des oberen und unteren Heeres wurden um 85 n. Chr. in den Status von Provinzen erhoben; so entstanden die Provincia Germania superior (Obergermanien) mit der Hauptstadt Mainz - Mogontiacum - und die Provincia Germania inferior (Untergermanien) mit der Hauptstadt Köln - Colonia Claudia Ara Agrippinensium.

Etwa gleichzeitig rückten die römischen Truppen auf den Kamm der mittleren und östlichen Schwäbischen Alb vor. Der Sicherung der so entstandenen neuen Nordgrenze der Provinz Raetia dienten die Lager Gomadingen, Donnstetten, Urspring und Heidenheim.
Zu den neu gewonnenen fruchtbaren Gebieten in der Provinz Obergermanien zählt das Land am mittleren Neckar. Auf den fruchtbaren Böden entstanden unmittelbar nach der militärischen Sicherung Gutshöfe, von denen aus die Truppen versorgt werden konnten. Als frühes Beispiel gilt hierzu die Villa rustica von Bondorf.

Straßenbau

Im Schutz der befestigten Reichsgrenze wurde der Bau der direkten Verbindungsstraße von Mainz nach Augsburg in Angriff genommen. Diese „Hauptverkehrsachse des Limesgebietes“ (Filtzinger) führte von Mainz über Groß-Gerau, Gernsheim, Ladenburg, Heidelberg, Stettfeld, Cannstatt, Urspring bzw. Heidenheim, Günzburg nach Augsburg. Der Durchgangsverkehr von den Rhein- zu den Donauprovinzen nutzte diese Straße und wies dem Limesgebiet seine besondere Bedeutung zu.

Eine Reihe weiterer Straßen war mit dieser Hauptachse verbunden; als „Verteiler“ oder „Drehscheibe“ können Heidelberg und Cannstatt angesprochen werden. Über diese Straßen waren z. B. Straßburg, Augst und Windisch zu erreichen.

Ausbau der Grenzsicherung: Vorverlegung des Odenwald-Neckarlimes

98 – 138 n. Chr.

Die Epoche der Kaiser Trajan (98 – 117 n. Chr.) und Hadrian (117 – 138 n. Chr.) brachte den Ausbau der Grenze und insbesondere den Steinausbau der Militärlager: steinerne Umwehrungen mit Gesimsplatten und Zinnen sind Kennzeichen dieser Maßnahmen. Unter Kaiser Antoninus Pius (138 – 161 n. Chr.) wurden 145/146 n. Chr. die Holztürme des Odenwaldlimes durch Steintürme ersetzt.

ca. 150 n. Chr.

Kurz nach dieser Verstärkung des Odenwaldlimes kam es zu einer Vorverlegung des Odenwald-Neckarlimes um etwa 30 km nach Osten.
Eine Anordnung des Statthalters – legatus Augusti pro praetore - in Mainz ließ die Garnisonen vorrücken auf die Linie Miltenberg/Main – Walldürn – Osterburken – Jagsthausen – Öhringen – Mainhardt – Murrhardt – Welzheim – Lorch.

Die neue, kürzere und ohne Rücksicht auf das Gelände geradlinig angelegte Palisadenlinie des „Vorderen Limes“ erleichterte die Überwachung der Grenze und Kontrolle des grenzüberschreitenden Waren- und Personenverkehrs.

Die Besatzungen von acht Kohortenkastellen, neun Kleinkastellen und 267 Wachtürmen sicherten die Grenzlinie vom Main bis ins Remstal. 
Etwa gleichzeitig mit der Ostverschiebung des Odenwald-Neckarlimes und darauf angepasst erfolgte die Vorverschiebung der Nordgrenze der Provinz Raetia auf den Nordhang des Remstals. In diesem Zusammenhang entstanden die Lager Schierenhof, Böbingen, Aalen, Rainau-Buch und Halheim.

 

Bedrohung der Reichsgrenze – Verstärkung der Grenzbefestigung

ca. 200 n. Chr.

Gegen Ende des 2. oder zu Anfang des 3. Jahrhunderts fand angesichts der Bedrohung der Reichsgrenze durch Markomannen und Alamannen eine Verstärkung der Grenzbefestigung statt: am obergermanischen Limes entstanden hinter der Palisade parallel laufend Graben und Wall; in Rätien ersetzte eine 2 bis 3 m hohe, 1,20 m breite Mauer die Palisade auf eine Länge von 166 km. Die Verstärkung der Grenzbefestigung konnte das Fortbestehen der römischen Herrschaft auf Dauer nicht gewährleisten.

213 n. Chr.

Kaiser Caracalla (211 – 217 n. Chr.) stieß im Jahre 213 n. Chr. bei Dalkingen über den rätischen Limes zur Vorwärtsverteidigung nach Norden vor. Kaiser Severus Alexander (222 - 235 n. Chr.) zog indessen 231 n. Chr. Truppen aus dem Limesgebiet in den Osten des Reiches ab.

Auseinandersetzungen mit Alamannen und Franken

Diese Schwächung des Grenzschutzes nutzten Alamannen zum Überrennen des obergermanischen und rätischen Limes; sie stießen bis zu Saar und Mosel bzw. zum Alpenrand vor. Dies zwang Severus Alexander zum Abbruch seines Perserfeldzuges. Er versammelte bei Mainz eine Angriffsarmee, wurde jedoch von seinen Soldaten im Mai 235 n. Chr. ermordet.

236 n. Chr.

Der vom Heer zum Kaiser ausgerufene Maximinus Thrax (235 – 238 n. Chr.) eröffnete im Jahre 236 n. Chr. von Mainz aus eine Gegenoffensive, vertrieb die Alamannen aus dem Limesgebiet und ließ die zerstörten Anlagen am Limes wieder herstellen.
Dennoch bedeutete der erste große Germaneneinfall einen tiefen Einschnitt: die Siedlungen im Umfeld der Lager und im Hinterland wurden nicht wieder oder nur noch verkleinert wieder aufgebaut. Gutshöfe wurden nur noch notdürftig und unvollständig wiederhergestellt. Bäder wurden verkleinert oder ganz aufgegeben. Der Rückgang der Bevölkerung und der Abzug von Truppenteilen verringerten Absatzmärkte und erschwerten die Gewinnung von Saisonarbeitern für die Landwirtschaft. Die wirtschaftlichen Verflechtungen der Limesregion mit den germanischen Gebieten erlebten ebenfalls eine Ausdünnung.

 

 

 

Ende der römischen Herrschaft in Süddeutschland

258 n. Chr

Weitere Vorstöße der Alamannen überlagerten sich mit Unruhen im Römischen Reich. Ein damit zusammenhängender Abzug römischer Militäreinheiten nach Pannonien durch Kaiser Gallienus (253 – 268 n. Chr.), die Usurpation des Postumus (260 – 269 n. Chr.) und die Gründung eines gallischen Sonderreiches (258 – 273 n. Chr.) ermunterte Franken und Alamannen zu einem Vorstoß über Donau und Rhein hinweg bis nach Gallien, Spanien und Italien.
Gallienus konnte zwar die Alamannen bei Mailand schlagen (260/61 n. Chr.), auch gelang es dem in Köln residierenden Postumus die Rheingrenze gegen die Franken zu behaupten, der Grenzschutz zwischen Rhein und Donau war aber endgültig zerschlagen, das Gebiet zwischen Rhein und Donau für das römische Imperium verloren.

ca. 290 n. Chr.

Rückverlegung der Reichsgrenze an die Donau, die Iller und den Rhein

Die Sicherung der neuen Reichsgrenze an Donau, Iller und Rhein ließ sich Kaiser Diokletian (284 – 305 n. Chr.) angelegen sein. Um 290 n. Chr. fiel der Beschluss zur Wiederbefestigung der Rhein- und Donaugrenze. Im heutigen Baden-Württemberg war lediglich noch das Umfeld der Lager von Isny (Vemania ) und Breisach (Brisiacum ) Teil des römischen Reiches. Ansonsten deckt sich die Landesgrenze von Baden-Württemberg im Westen, Süden und Südosten mit der spätrömischen Reichsgrenze, dem Donau – Iller – Rhein – Limes.
Zur gleichen Zeit lassen sich erste germanische Siedlungen im ehemaligen Limesgebiet feststellen. Als Verbündete der Römer halfen dort angesiedelte Germanenstämme, die Grenzen römischen Imperiums an Rhein und Donau bis zum Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. zu halten.