Eiszeit nennt man, wie schon erwähnt, jene lange Kälteperiode, die wohl nicht plötzlich, sondern ganz allmählich, wahrscheinlich infolge der Schneeansammlung auf den neu erstandenen Hochgebirgen, über Europa hereinbrach, nachdem vorher tropische Wärme und tropische Natur hier geherrscht hatten. Am Ende dieser kalten Periode, als das Klima dem unsrigen wieder ähnlicher geworden war, lebten die Aimats in unseren schwäbischen Höhlen. Sie waren durchaus nicht die einzigen Menschen auf unserem Erdteil, sondern nur ein Stamm jenes Urvolks mit Stein- und Beinwerkzeugen, von dem wir jetzt fast über ganz Europa hin sichere Spuren gefunden haben.

So bequem die natürlichen Höhlen sich als Aufenthaltsort für die Bedürfnisse jener Menschen darboten, so nah liegt die Frage: Wo haben denn alle anderen Ureuropäer gewohnt? Denn die Zahl der Höhlen ist ja eine sehr begrenzte.

Zudem vermehrt sich der Mensch, wenn er in einigermaßen günstigen Verhältnissen lebt, sehr schnell, und die Stammeshöhle wurde oft gar blad für die wachsende Schar zu klein.

Leicht lässt sich denken, dass sie dann in der Nähe der Höhle, besonders im Schutz vorspringender Felsen, sich einfache Holzhütten gebaut haben. Solche waren auch entfernt von den Höhlen, bei längerem, aber vorübergehendem Aufenthalt an einem Ort auf Jagdzügen, zweckdienlich und leicht auszuführen, und es sind in der Tat derlei zeitweilige Wohnsitze der Feuersteinmenschen aus den Resten, Werkzeugen und Knochen, die sich fanden, nachgewiesen worden.

Es ist auch nicht schwer, aus der bisher geschilderten Lebensweise jenes Volkes zu schließen, was für dauernde Wohnungen sie sich da gebaut haben mögen, wo keine natürliche Höhle sich darbot.

Diese Wohnung musste vor allem dreierlei bieten: Schutz gegen die Kälte des Winters, Schutz gegen die wilden Tiere, die überall hausten, und Schutz gegen andere Menschen. Denn auch damals wurde in Krieg und Kampf Menschenblut von Menschen vergossen, wie dies der Fall sein wird, solange es Menschen gibt; das Recht der Gewalt, das Recht des Stärkeren, ist ja leider ein Naturgesetz für alle lebenden Wesen und wird es immer auch für den Menschen bleiben.

Sehen wir uns nun einige heute lebende Naturvölker an, denn der Mensch auf der niedrigsten Stufe ist, wie wir mehr und mehr finden, überall im Grunde der gleiche.

Die Dajaker, ein braunes Jägervolk, das die inneren Waldgegenden der großen Sundainsel Borneo bewohnt, bauen ihre leichten Hütten im Wald – um vor nächtlichem Überfall von wilden Tieren und feindlichen Stämmen sicher zu sein – auf hohe, in die Erde gerammte Pfähle, auch auf geeignete Bäume, natürliche Pfähle. Wohnen sie am Fluss oder an einem See, so leiben sie es zu weiterer Sicherheit, ihre Häuser über dem Wasser aufzurichten.

Konnte ein solcher Pfahlbau unseren Ureuropäern als Wohnung dienen? Vielleicht für den Sommer, aber für den damaligen harten deutschen Winter sicher nicht, ja nicht einmal für unseren Winter. Liegt es nicht nahe zu denken, dass ein Volk, von dem ein großer Teil in natürlichen Höhlen lebte, sich da, wo es keine solchen fand, künstliche baute?

Die Kamtschadalen, ein Jägervolk im nördlichen Russland, das ganz wie unsere Ureuropäer wesentlich von der Jagd auf Bären und Renntiere lebt, wohnen noch heut ein so genannten Jurten, zwei Meter tiefen und etwa elf Meter im Durchmesser in die Erde gegrabenen Löchern. Damit die Wände nicht einrutschen, sind sie mit Balken bekleidet und gestützt. Das Dach einer solchen unterirdischen Wohnung ruht auf ebener Erde. Es ist aus Balken gearbeitet, sehr dick, gleicht einem abgestumpften Kegel und wird durch Pfähle im Innern gestützt. Oben hat es ein viereckiges Loch, das zugleich Rauchfang und Eingangstür ist. Von ihm geht als Treppe ein eingekerbter Balken in die Hütte hinunter. In einer solchen Jurte wohnen bis zwanzig Personen jeden Alters und Geschlechts zusammen.

In der Mitte der Hütte brennt ein beständiges Feuer.

Die südlicher wohnenden Kamtschadalen bauen sich für den Sommer auf ungefähr vier Meter hohen Pfählen eine Hütte, bestehend aus einem Balkenboden und einem kegelförmigen, mit Gras bedeckten Dach. Ein Balken mit stufenartigen Einkerbungen ist die Treppe. Es gibt kein Fenster, nur die kleine Türe lässt einiges Licht ein, und oben im Dach ist wieder ein Loch für den Rauch.

Also für den Sommer Dajaker Pfahlbauten, für den Winter eine Höhlenwohnung.

Ähnlich wohnten wohl auch jene Ureuropäer. Kamtschadalische Jurten und Pfahlwohnungen konnten sie mit ihren Feuersteinwerkzeugen recht gut herstellen. Sofern also die Aimats an Seen lebten, gruben sie ihre Winterwohnungen in die Erde der Ufer, die Sommerwohnungen aber bauten sei auf Pfählen in den See hinein, zu größerer Sicherheit, wie die Dajaker, und weil es für ein Fischervolk besonders bequem war, den Fang unmittelbar vom Boot aus ins Haus zu bringen.

Sehr wahrscheinlich dienten die Sommerbauten zugleich als Vorratshäuser für den Winter, wie sie die Lappen noch heute über dem Wasser haben.

Das waren die allerersten Anfänge der Pfahlbauten, die in einer viel späteren Zeit, zum Beispiel an den Schweizer Seen, von einem anderen, schon höher kultivierten Volk – vielleicht einem Mischvolk von Kalats und Aimats, – so vollkommen und fest ausgeführt wurden und deren Reste jetzt an vielen Orten in Europa an Seen nachgewiesen worden sind.


Der See-Aimat brennt den Einbaum aus

So trafen unsere Tulkaleute am Somsee eine ganze Niederlassung von Stammesverwandten, die man See-Aimats nannte. Noch starrten damals die Gletscher von den Schweizer Alpen herunter bis fast an die Seen hin, und neun Monate dauerte der Winter. Mannshoch bedeckte dann der Schnee die weite Landschaft, über die sich an den Ufern die Menschenwohnungen wie große weiße Maulwurfshaufen erhoben, aus deren Spitzen Rauchwölkchen aufstiegen. Gegenüber stand der Pfahlbau mit den getrockneten Fischen, und unten an den Pfählen waren die Einbäume angebunden, jene einfachsten, aus einem einzigen, ausgehöhlten Baumstamm bestehenden Fischerboot.

Eine andere Landschaft trafen unsere Berg-Aimats jetzt in ihrem Seemonat (Juli) an. Wohl glänzten die Schneeberge in der Ferne und die Eisgletscher in nächster Nähe. Aber hart am eis begann, wie heute noch in Grönland, eine freundliche Sommerlandschaft. Eine üppige Grasfläche diente Herden von wilden Renntieren und Pferden zur Weid und schwarze Kieferwaldungen begrenzten fernhin den Horizont. Die Winterwohnungen der Fischer standen verlassen. Alles lebte unten am See in den Pfahlbauten und auf den Booten, Männer, Weiber und Kinder, lustig und froh, aber immer geschäftig die kurzen Sommermonate zu nützen, um einzuernten für den langen Winter.

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