Name Grinario

Der Name Grinario stammt vermutlich von den Kelten und bedeutet Grinnos, der Bärtige. Die Kelten siedelten vor den Römern in Köngen. 1969 und 1972 wurden bei Ausgrabungen die Reste einer befestigten Siedlung und eines keltischen Wagengrabes entdeckt.

Tabula Peutingeriana

Im späten 12. Jahrhundert angefertigt, ist die Tabula wohl eine Abschrift einer karolingerzeitlichen Vorlage, die wiederum auf das Original einer römischen Straßenkarte zurückgeht. Die 680 cm × 34 cm große Rollkarte zeigt die den Römern bekannten Weltregionen von Britannien bis Indien, ihr westlichster Abschnitt ist bis heute verschollen. Sie ist als schematisches Diagramm gestaltet und bildet die geographischen Gegebenheiten – bis auf wenige Einzelheiten – nur stark verzerrt ab. Dennoch lieferte sie den Reisenden alle notwendigen Informationen über die Lage der wichtigsten Städte und Pferdewechselstationen (mansio) im Straßennetz des Römischen Reiches sowie die Anzahl der Tagesetappen zwischen den Haltepunkten an den Hauptverkehrsrouten. Die Landmassen erscheinen als waagrechte Streifen, die durch Mittelmeer und Adria getrennt werden. Die Städte sind durch Gebäudesymbole dargestellt; je größer das Symbol, umso bedeutender die jeweilige Stadt. Die Anzahl der Tagesmärsche wird durch hakenförmige rote Linien abgebildet. Die Angabe der damaligen Ortsnamen und Entfernungen in römischen Meilen bildet die Grundlage für die Straßenforschung. Die Karte ist heute auch eine der wichtigsten Quellen zur Zuordnung und Identifizierung von antiken Ortsnamen.

Grinario wird als Grinarione dort aufgelistet - siehe schwarzer Pfeil auf der Vergrößerung.

Lage des Kastells auf dem Ortsplan von 1896

 

Forschungsgeschichte
  • 1783/84 erste Ausgrabungen auf dem Burgfeld im Bereich des Vicus und im nördlichen Bereich des Friedhofs durch Oberamtmann Friedrich Karl Roser auf Befehl des König von Württemberg.
  • 1843/44 Ausgrabungen durch Eduard Paulus. Es wurde ein Schlachthaus entdeckt, bei dem noch die Fleischerhaken vorhanden waren.
  • 1874 Grabungen durch Eduard Paulus. Fund eines römischen Brunnenschachtes, in dem sich ein bronzener Kessel und ein Sieb befand. Erstmals wurde die Ausdehnung der römischen Siedlung deutlich.
  • 1882 Ausgrabungen durch Konrad Miller. Bei diesen zwei Ausgrabungen wurden Teile des Straßensystems, des Vicus und ein weiterer Teil des Friedhofes entdeckt. Die Umfassungsmauer des Friedhofes war 51m lang und 36m breit. Es wurden 50 von etwa 500 Gräbern ausgegraben. Anlass der Ausgrabung war der Fund eines römischen "Sautrogs" (Sarkophag).
  • 1885 Entdeckung des eigentlichen Kastells durch General Eduard von Kallee
  • 1896 systematische Ausgrabungen des Kastells durch die Reichslimeskommission
  • 1900 Ausgrabungen durch Adolf Mettler. Fund eines 10m großen Mauerstücks, das aufgrund einer Inschrift als Jupiterheiligtum zu deuten ist.
  • 1910 Entdeckung zweier Inschriftensteine. Dadurch war es möglich den Ortsnamen Grinario zu verifizieren
  • 1911 Wiederaufbau des Eckturmes durch den Schwäbischen Albvereins und die Esslinger Altertumsfreunde
  • 1967 Depotfund mit 617 Silbermünzen. "Münzschatz von Köngen". Die Schlussmünze ist von 246 n. Chr. Kurz nach dieser Zeit wurde also das Kastell und der Vicus bei einem Alamannenüberfall zerstört.
  • 1976 Bau des Hotels Römerkastell. Beim Bau wurde der Teil eines Mithrasreliefs entdeckt.
  • 1977 Das Köngener Kastellgelände wird nach jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen der Gemeinde Köngen und dem Staatlichen Amt für Denkmalpflege unter Denkmalschutz gestellt. Der Vicus Grinario wurde nahezu unkontrolliert zerstört. Die Gemeinde Köngen wollte auch den Bereich des Kastells überbauen lassen, was glücklicherweise am Einspruch des Landesdenkmalamtes scheiterte.
  • 2006 Beim Ausheben einer Baugrube für ein Wohnhaus wurden in der Nähe des Kastells römische Mauerreste entdeckt . Die erste Vermutung das endlich das gesuchte Mansio (Straßenstation) gefunden wurde erwies sich leider als falsch. Die zwei Räume des Gebäudes erwiesen sich als Darre (Trocknung von Getreide). Diese Ausgrabungen führte das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg mit Hilfe von Freiwilligen durch.
       

 

Geschichte:

Die Römer kamen um das Jahr 85-90 n.Chr. nach Köngen, als sie die Grenze vom Albtrauf an den Neckar vorverlegten (Alblimes / Neckar-Odenwaldlimes). Diese Grenze war noch eine "grüne" Grenze. Es gab also weder eine Palisade noch eine Mauer, sondern nur mehrere Kastelle, die mit Straßen verbunden waren. Das erste Kastell war noch eine Holz-Erde-Konstruktion. Die Gebäude waren aus Holz und die Umwallung war ein Erdwall mit Palisade. Davor dienten mehrere Gräben als zusätzlicher Schutz. Im Kastell war eine Auxilliareinheit (Hilfstruppen) stationiert, die teilweise beritten war. Sie umfasste 500 Mann. Diese Einheiten stammten meistens aus von Römern besetzten Gebieten. Die Bogenschützen stammten aus Syrien. Teilweise waren diese Einheiten mit anderen Waffen und Helmen bewaffnet als die Legionen.

Gleichzeitig oder kurz nach dem Kastellbau begannen sich Händler und Handwerker in unmittelbarer Nähe des Kastells anzusiedeln. Auch die Familien der Soldaten waren dabei.

Das sorgte für einen wirtschaftlichen Aufschwung der Umgebung. Die Truppen und die Bewohner mussten ja mit Lebensmitteln und anderen Gütern versorgt werden.

Nach ihrem abgeleisteten Militärdienst bei den Hilfstruppen wurden die Veteranen mit dem römischen Bürgerrecht, einem Stück Land und einer Abfindung versehen. Die meisten siedelten sich in der Umgebung ihres Dienstortes an und bauten dort die Villa Rustica. Ihre Produkte verkauften sie an das römische Militär oder die Bewohner der Vici (Ortschaft).

Um 120 n.Chr. waren die alten Holzbefestigungen erneuerungsbedürftig, Reparaturen waren nicht mehr möglich. Das Kastell in Köngen wurde neu aus Stein gebaut. Die Größe und der Grundriß änderten sich nicht großartig. Die Ortschaft wuchs allerdings weiter. In seiner größten Ausdehnung wohnten etwa 1500 Menschen in Grinario. Da die Zeiten vermutlich etwas unruhiger wurden, bauten die Römer den sogenannten Lautertallimes, um die römische Straße nach Augsburg (über Clarenna-Donstetten) zu schützen. In Dettingen/Teck entstand sogar noch ein Kleinkastell. Am Albtrauf auf der Hochfläche, in Deggingen, entstand als Flankenschutz ein weiteres Kastell.

Kurze Zeit später wurde das Filstal vermutlich die Grenze des Römischen Reiches. In Eislingen/Salach wurde ein weiteres Kastell angelegt und somit die Straße nach Augsburg über Urspring gelegt und damit erheblich verkürzt. (Anmerkung des Verfassers: In einem Waldstück in der Nähe von der Geislinger Steige befinden sich die Reste einer vermutlich römischen Straße, die den dortigen Albaufstieg dargestellt haben dürfte - archäologisch bisher nicht untersucht.)

Grinario war also die ganze Zeit ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt und Straßenkreuzung. Die Straße von Straßburg kommend über Rottweil, Rottenburg nach Köngen und weiter über Bad Cannstatt nach Mainz verzweigte sich hier mit der Straße nach Augsburg (diverse Trassenverläufe). In Grinario befand sich vermutlich eine Pferdewechselstation, ähnlich den heutigen Autobahnrastanlagen, mit Übernachtungsmöglichkeit. In Köngen wurde auch eine Benefiziarierstation lokalisiert. Diese entspricht der heutigen Autobahnpolizei, allerdings mit zusätzlichen Zollaufgaben (Straßensicherheit).

Spätestens um 159 n.Chr. verließ das Militär den Standort Köngen und wurde vermutlich nach Lorch vorverlegt zum endgültigen Limes. Nachdem die Zeiten unsicherer geworden waren, legte man den Limes jetzt auch mit Palisade oder Grenzmauer an. Viele besetzte Wachtürme in Sichtweite zueinander stellten die Grenzsicherheit her.

Das römische Kastell wurde überflüssig und teilweise abgerissen. Die repräsentativen Gebäude blieben, zusätzlich wurden ein Bad und ein Speichergebäude gebaut. Die Umfassungsmauer fand teilweise als Rückwand von Gebäuden weitere Verwendung.

Der Vicus wuchs allerdings noch weiter. Es wurde mindestens noch ein weiterer Straßenzug angelegt. Vermutlich war Grinario ein regionales Handelszentrum, in welchem örtliche Händler Waren kauften und verkauften. Grinario war in seiner größten Ausdehnung nur ca. 200 m breit aber etwa 1,5 km lang, hatte also die Gestalt von einem heutigen Straßendorf.

Gegen Ende des 2.Jhds. kam es zu einer Brandkatastrophe im Vicus. Warum weiß man nicht, war es ein Unglück oder ein Überfall? Zwischen 233 und 273 überrannten die Alemannen den Limes und zerstörten den Vicus völlig. Sie bauten ihre Siedlung in der Nähe: die Geburtsstunde des heutigen Köngen.

Anmerkung: Manche meiner Interpretationen sind archäologisch nicht belegt, aber sehr wahrscheinlich. Ich möchte mit diesem Artikel bewusst auch für Diskussion sorgen. Ich finde, der Alblimes, Lautertallimes und der Neckarlimes sind geschichtlich noch nicht ausreichend erforscht. Die Forschung beschränkt sich in letzter Zeit ausschließlich auf den zugegebenermaßen imposanteren eigentlichen Limes. Ich bin aber der Überzeugung, dass die größeren Überraschungen der Archäologie noch im Hinterland liegen. Es ist jammerschade, dass nicht mehr Geld für die Forschung zur Verfügung steht. Die Technik hat sich rasend schnell weiterentwickelt: Drohnen, LIDAR und Bodenradar sind nur einige der Dinge, die jetzt zur Verfügung stehen. Aber es zu wenig Geld da, um diese nicht-invasiven Dinge für die großflächige Forschung zu nutzen. In den letzten Jahren wird eigentlich nur noch reagiert: bei Bauvorhaben anfallende Rettungsgrabungen brachten die meisten Funde.

Wird fortgeführt !

Literatur:

  • Philipp Filtzinger: Köngen. In: Filtzinger, Planck, Cämmerer (Hrsg.): Die Römer in Baden-Württemberg. 3. Auflage, Theiss, Stuttgart 1986, ISBN 3-8062-0287-7, S. 369ff.
  • Martin Luik: KöngenGrinario 1. Topographie, Fundstellenverzeichnis, ausgewählte Fundgruppen. Theiss, Stuttgart 1996 (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 62), ISBN 3-8062-1246-5.
  • Martin Luik: KöngenGrinario 2. Historisch-archäologische Auswertung. Theiss, Stuttgart 2004 (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 82), ISBN 3-8062-1921-4.
  • Martin Luik: Köngen. Kohortenkastell und Vicus. In: Dieter Planck (Hrsg.): Die Römer in Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1555-3, S. 149ff.
  • Martin Luik und Fridolin Reutti: Der Römerpark in Köngen. Theiss, Stuttgart 1988 (Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg, 12), ISBN 3-8062-0558-2.
  • Hans-Günther Simon: Terra Sigillata aus Köngen. In: Saalburg-Jahrbuch. Band 20, 1962, S844.
  • Christoph Unz: Grinariodas römische Kastell und Dorf in Köngen. Theiss, Stuttgart 1982 (Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg, 8), ISBN 3-8062-0302-4.
  • Matthias Ohm, Nina Willburger: Der römmische Münznzfund von Köngen. Zeugnis einer unruhigen Zeit. Likias Verlag, Friedberg 2017, ISBN 978-3-9817006-7-1.
  • Hartwig Zürn: Das Verwaltungsgericht entscheidet ... Zum Kastell Köngen. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 5. Jg. 1976, Heft 3, S. 128–130.